Weiter geht’s mit Rio und der Ilha Grande! 😊
Achtung, das wird ein langer Artikel. Gibt einiges zu berichten und manchmal schweife ich auch minimalst in Exkurse ab… ;o
Wir sind ja von Foz do Iguazu direkt nach Rio geflogen (ca. 2h) und haben uns dort für vier Nächte in einem Hostel im Stadtviertel Copacabana einquartiert. Hat man ja irgendwie schon mal von gehört. 😊
Kennen tut vermutlich jeder den Strand, eigentlich ist es aber ein ganzes Viertel von Rio. Genauso wie zum Beispiel Ipanema.
An Rio hatte ich tatsächlich irgendwie recht hohe Erwartungen und eine große Vorfreude. Gefühlt ja irgendwie eine Stadt mit ähnlicher Anziehung wie New York, London, Paris, Havanna, Hongkong, Sydney, o.ä.
Gleichzeitig konnte ich mir aber eigentlich gar nicht so viel drunter vorstellen. Man verbindet es halt mit der Christus-Statue (in portugiesisch „Cristo Redentor“, auf Deutsch „Christus der Erlöser“), dem Zuckerhut, Karneval und Strand.
Stimmt auch irgendwie alles. 😊
Leider hatten wir in Brasilien immer wieder mal festgestellt, dass wir keine wirklich zuverlässige Wetterprognose gefunden haben. In Rio war das dann ein bisschen suboptimal.
Wir hatten die Tage Sonntag bis Dienstag voll zur Verfügung. Mittwoch sollte es zur Ilha Grande gehen (ca. 4,5h Reisezeit).
Für Sonntag war sehr sonniges Wetter angesagt, für Montag und Dienstag Bewölkung und Regen. Es gab wohl auch die Tage davor schon eher schlechtes Wetter, wo sich selbst die Brasilianer drüber aufgeregt oder gewundert haben.
Ergo haben wir uns direkt für Sonntag vorgenommen, zur Christus-Statue hochzufahren, um die Aussicht dort bei gutem Wetter zu haben. Vorher haben wir Sonntag morgen aber erstmal noch Wäsche gewaschen. 😊 Während die Wäsche im Trockner war, sind wir frühstücken gegangen, haben die Wäsche wieder abgeholt und ins Hostel gebracht und sind dann zur Christus-Statue aufgebrochen. Man kann aber wenig überraschend nicht mit dem Taxi bis zum Fuß der Statue. Man fährt entweder relativ weit hoch und von dort mit kleinen Bussen weiter, die quasi zum Gelände gehören. Oder man fährt zu einer Zahnradbahn-Talstation, dann hoch und läuft noch ein Stück.
Wir haben uns für Letzteres entschieden.
Überraschenderweise waren wir nicht die einzigen Genies, die auf diese Idee gekommen sind… ☹
Es war Sonntag, es war zudem Feiertag in Brasilien und die Argentinier hatten, wie im Iguazu-Beitrag erwähnt, ein langes Wochenende (warum auch immer waren in Rio eh haufenweise Argentinier unterwegs, gefühlt habe ich mehr Spanisch als Portugiesisch gehört). Und es war eben die letzten Tage davor schlechtes Wetter und für die Tage danach auch wieder schlechteres Wetter angesagt.
Es war also die HÖLLE los.
Wir kamen durch die Wäsche-Organisation erst gegen 10 Uhr an der Talstation an der Zahnradbahn an.
Vorweggenommen: Allein die Christus-Statue hat uns alles in allem ca. 4,5 Stunden gekostet. Wirklich auf der Aussichtsplattform oben waren wir vielleicht 15min. Ihr könnt euch also vorstellen, was los war…
Wir haben halt auch die Organisation nicht verstanden. Man hätte online vorher Tickets kaufen können für feste Zeitfenster. Aber wir konnten halt schlecht einschätzen, wann wir da sein würden und ob es da dann eine Schlange für die festen Zeitfenster gibt. Vor Ort haben sich dann, zugegebenermaßen erst kurz vor Ende, die Schlangen auch vermischt.
Ironie der Geschichte: Am Ende war das Wetter am Montag und Dienstag echt in Ordnung. Wir hätten vor allem Vormittags an den Tagen sicherlich auch ne schöne Aussicht gehabt und vielleicht weniger Menschen mit dem gleichen Gedanken.
Im Endeffekt standen wir allein für das Hochfahren an der Zahnradbahn gut 2 Stunden an.
Dann Hochfahren und ein Stück hochlaufen.
Die Aussicht war schon nett. Aber es einfach unfassbar voll. Gleichzeitig haben die Brasilianer auch eine gewissen Tendenz dazu, hochgradig auf perfekte „instagramable“ Fotos zu stehen. Es wird sich für Fotos viel Zeit genommen und es wird auch viel für die Fotos rumposiert. Macht es da oben nicht besser. Wir haben die Aussicht jedenfalls kaum genießen können und uns eher unwohl gefühlt in dieser Menschenmenge. Man fühlt sich halt auch schnell nicht gut, wenn man es endlich mal an den Zaun mit der tollen Aussicht geschafft hat. Von hinten dringen ja die nächsten Menschen heran. Die haben das wirklich nicht aggressiv gemacht oder so. Aber man spürt natürlich die Menge an Menschen, die „jetzt auch endlich mal dran sein möchten“.
Natürlich haben wir trotzdem (schnell 😉) das obligatorische Selfie vor der Christus-Statue gemacht und die Aussicht genossen.
Die Statue steht auf dem Berg "Corcovado". Allein der ist 710m hoch. Dann noch ein 8m hoher Sockel und die Statue selbst ist dann 30m hoch (Spannweite der Arme 28m). Zum Vergleich: Die Freiheitsstatue in New York ist 46,05m hoch und hat mit Sockel aber eine Höhe von 92,99m.
Brasilien hat 1822 seine Unabhängigkeit von Portugal erklärt, 1825 hat Portugal diese anerkannt. Die Statue war eine Idee zum 100. Geburtstag der Unabhängigkeit des Landes, konnte am Ende aber erst 1931 eingeweiht werden.
Man sieht schon gut, wie Rio sich an mehreren Buchten und zwischen Bergen und Stränden und entlang hangelt. Jeder Strand bildet und benennt im Grunde auch das dahinterliegende Viertel zwischen Strand und Berg. Botafogo, Flamengo, Copacabana, Ipanema…
Auf dem ersten Bild sind jetzt die Guanabara-Bucht, die vorgelagerte Insel mit dem internationalen Flughafen sowie das Stadtzentrum zu sehen. Ganz links außerdem das berühmte Maracaná-Stadion (ein Spiel wäre leider erst Mittwoch möglich gewesen und da sind wir schon weitergereist).
Auf dem zweiten Bild sieht man Ipanema.
Und nun wieder der "Instagram vs. Realität"-Vergleich. Auf Bild 2 ist immerhin auch mal der Zuckerhut zu erkennen. :)
(auf Bild 1 ganz rechts sogar auch, seh ich selber grad erst zwischen den ganzen Köpfen :D)
Wir haben uns dann direkt oben Essen und Getränke auf die Hand gekauft, um die Wartezeit für die Zahnradbahn nach unten wenigstens etwas produktiver zu nutzen. 😉 Hat aber sicher auch nochmal 1,5h gedauert, bis wir in der Bahn waren.
In Summe waren wir daher ehrlich gesagt etwas enttäuscht, vielleicht war es aber auch unser Fehler. Wir konnten es da oben jedenfalls kaum genießen, auch wenn die Aussicht natürlich beeindruckend ist.
Unten angekommen haben wir uns dann gesagt: „Na ja, wenn der Tag jetzt eh schon halb im Arsch ist durch vieles Anstehen an Touri-Highlights, dann ziehen wir es jetzt wenigstens komplett durch und fahren noch mit der Seilbahn auf den Zuckerhut. Dann haben wir die super touri-mäßigen Sachen wenigstens abgehakt und die anderen Tage mehr Flexibilität.“
Hat sich gelohnt!
Sind dann also zur Talstation des Zuckerhuts gefahren, um von dort mit der Seilbahn hochzufahren.
Da waren die Schlangen nicht mehr ganz so lang, ne Stunde standen wir aber sicher auch nochmal an allein für die Fahrt zur Mittelstation auf dem Berg vor dem Zuckerhut.
Wir hatten dann auch Glück. Relativ bald nach uns haben sie schon gar keine neuen Passagiere mehr zugelassen (die letzte Bahn nach unten fuhr um 21 Uhr und wir waren gegen 16 Uhr dort).
Wir sind also zur Mittelstation gefahren, wo es eine schöne große Aussichtsplattform gibt mit diversen Snack- und Getränkeverkäufen und sogar einem Restaurant. Und haben ziemlich schnell festgestellt, dass die Schlange an der zweiten Seilbahn hoch zum Zuckerhut auch nochmal ziiieeemlich lang war. Da wären wir erst in der Dunkelheit auf dem Zuckerhut gewesen (Sonnenuntergang ist eigentlich im ganzen Land um 18 Uhr herum und die Dämmerung ist ziemlich kurz). Wir fanden die Aussicht von der Mittelstation auch schon ziemlich schön. Daher haben wir uns n Glas Wein und Popcorn (😊) geholt und von der Mittelstation aus die Aussicht auf den Sonnenuntergang und den Einbruch der Dunkelheit genossen. Wir fanden die Aussicht hier viel spektakulärer und großartigererer (😊) als von der Christus-Statue aus. Hatten dann echt Glück mit dem Timing und dem Wetter. Die Wolken verpassen manchen Bildern erst ihre Großartigkeit und in der Dunkelheit war die Aussicht dann auch echt toll.
Von links nach rechts: Copacabana (ganz am linken Rand), Botafogo und die Bucht von Botafogo und Flamengo. Und über allem thront Cristo Redentor.
Wir sind dann erst nach Einbruch der Dunkelheit ganz hoch auf Zuckerhut (da war dann auch faktisch keine Schlange mehr), haben nochmal die Aussicht genossen und waren am Ende dann doch sehr beseelt. Die Seilbahn auf den Zuckerhut hat sich wirklich gelohnt und hat eine ziemlich tolle Aussicht geboten. Definitiv ein erinnerungswürdiges Highlight! 😊 😊
Hier jetzt im Grunde ganz links die Copacabana, oben darüber Ipanema und die Favela Rocinha.
In der Mitte Botafogo und nach links dann Flamengo.
Vielleicht lohnt sich an dieser Stelle ein kurzer geographischer Exkurs.
Es fällt ja schon auch auf, wie hoch die Berge um Rio herum sind und dass da regelrecht einzelne Felsen sehr hoch und steil aus dem Nichts empor ragen. Der Zuckerhut ist sicherlich besonders hervorstechend durch seine Lage. Allein der Zuckerheit ist 396m hoch (und liegt ja unmittelbar am Meer, also bei logischerweise 0m) Benannt wurde er so übrigens direkt von den Portugiesen und er stellte eben eine gute Markierung dar für die Einfahrt in den Hafen von Rio. Wer sich die Lage Rios auf der Landkarte anschaut, stellt ja schnell fest, dass Rio sehr gut an einer großen Bucht gelegen ist. Und der Zuckerhut markiert quasi die Einfahrt zur Bucht. Rio war ja dann auch lange ein wichtiger Hafen und durch die Wichtigkeit auch die Hauptstadt von Brasilien (bis man 1960 nach Brasilia, einer komplett im Nichts erbauten neuen Hauptstadt umgezogen ist).
Die Felsen bestehen jedenfalls aus ziemlich hartem Granit. Entstanden sind diese durch Plattentektonik, mutmaßlich vor 560 Millionen Jahren als sich der Großkontinent Gondwana gebildet hat. Gondwana umfasste das heute Südamerika, Afrika, Indien, Australien und die Antarktis.
Mutmaßlich sind Kontinentalplatten zusammengedriftet, es kam zu vulkanischen Aktivitäten und Gebirgsauffaltungen. Übrig blieben die Granitfelsen aus dem Vulkangestein. Superhart, aber natürlich über 560 Millionen Jahre auch der Erosion ausgesetzt. Auf der afrikanischen Seite gibt es nahezu identische Gesteinsformationen (Südamerika und Afrika passen ja quasi wie Puzzle-Teile zusammen und Rio war ungefähr dort mit Afrika verbunden, wo heute Angola liegt).
Also, ich find das ja faszinierend… 😊 Wir hauen da eine Seilbahn auf einen Felsen, der vor 560 Millionen Jahren entstanden ist, weil Kontinentalplatten zusammengeprallt sind, die danach wieder komplett auseinander gebrochen sind.
Den Dienstag haben wir es dann recht entspannt angehen lassen, waren am Strand der Copacabana (tatsächlich superfeiner Sand) und sind durch das Viertel Santa Teresa gelaufen. Das soll einfach ein nettes Viertel sein mit Bars, Künstler-Ateliers, etc.
Allgemein muss man sagen: Die Stadt selber von den Gebäuden oder von den Vierteln hat uns jetzt gar nicht so vom Hocker gerissen. Es ist vermutlich der Mix aus den Bergen, den Stränden, den wirklich gut gelaunten und freundlichen Menschen, dem Karneval und der damit verbundenen Lebensqualität, der das Flair der Stadt ausmacht.
Man hat den Eindruck, die Leute sind alle sehr entspannt und genießen lieber das Leben statt sich totzuarbeiten. Die sind lieber viel im Wasser oder am Strand (beim Beach Soccer, Beach Volleyball, Beach Tennis, Beach whatever… 😉) und genießen die Sonne. Allgemein sind die Brasilianer auch nicht aufdringlich. Die wollen natürlich auch gerne was verkaufen oder dich in ihr Restaurant oder ihre Bare locken. Aber ein „Nein, danke“ reicht eigentlich immer.
Aber es ist jetzt nicht so, dass da in Rio ein Viertel heraussticht. Wir fanden eher den Mix spannend in allen Vierteln aus alten wunderschön sanierten Gebäuden im Kolonialstilen, leider völlig verfallenen Gebäuden aus der Kolonialzeit und/oder modernen Büro- oder Wohnhochhäusern. Es ist auch irre, wie schnell sich die Natur verfallene Gebäude zurückerobert.
Was uns aber schon aufgefallen ist: In Ipanema war der Anteil an hellerhäutigen Menschen mit einem Schlag deutlich höher als in allen anderen Stadtteilen Rios. Gilt gleichzeitig auch das teuerste und sicherste Viertel der Stadt…
(Unsicher haben wir uns in Rio und in Brasilien nie gefühlt, muss man dazu sagen.)
Hier ein paar Eindrücke aus unserem Stadtbummel:
Man kann in Brasilien sicher super leben, wenn man Geld hat. Nach unserem Eindruck hat das Land auch durchaus eine gefestigte, einigermaßen große Mittelschicht (erinnert mich sehr an Mexiko). Wenn man aber gar nichts hat… Na ja, dann lebt man immerhin in einem überwiegend warmen Land und riskiert zumindest nicht den Erfrierungstod. Aber Armut sticht einem hier natürlich überall ins Auge und das sind dann andere Zustände. Da bestehen die Gebäude aus purem Ziegelstein, teilweise ohne Fenster und mit einem Raum. Müll ohne Ende. Und wie Sanitär „funktioniert“ möchten wir uns vermutlich alle nicht vorstellen.
Am letzten Tag waren wir dann nochmal in Ipanema, erst frühstücken und dann am Strand.
Hier der Strand von Ipanema (auch mit wirklich feinem Sand):
Weil wir es grad vom Frühstück in Ipanema hatten, vielleicht auch mal ein Exkurs in die Kulinarik und was uns so aufgefallen ist.
Allgemein: Es gibt sicher Gründe, warum es in Deutschlande hunderte italienische, vietnamesische, chinesische, spanische Restaurants gibt und kaum brasilianische… ;)
Das Essen ist gut. Aber sicher nicht vergleichbar mit oben genannten Küchen. Wir sind insofern überrascht, weil wir das Essen als recht arm an (vielfältiger) Würze empfinden. Vielleicht hatten wir da aber auch das falsche Bild. Gefühlt kennt man hier nur Salz und dann irgendwelche scharfen Salsas. Nicht mal Pfeffer bekommen wir.
Frühstück ist allgemein sehr süß oder eierlastig. Also Rühreier oder Omelettes mit Speck z.B. Und ansonsten viele sehr süße Teilchen wie gefüllte Croissants oder mit reichlich Zuckerguss übergossene Croissants, Pfannkuchen, Kuchen, etc. Na ja gut, und natürlich viel leckeres und frisches Obst (Melonen, Mango, Papaya, Bananen, Ananas).
Mittags und abends gibt es natürlich viel Fisch und Meeresfrüchte und das fanden wir auch immer SEHR lecker.
Sowohl in Brasilien als auch in Argentinien haben wir aber natürlich auch schon Steaks gegessen. 😊
Da scheinen die aber ein anderes Verständnis oder einen anderen Geschmack beim Garpunkt zu haben. Das Fleisch war gefühlt immer durchgebraten oder maximal sehr zartrosa.
Und ansonsten: Es gibt sowohl zu Fleisch als auch Fisch quasi immer Reis UND Pommes als Beilage. Salat oder Gemüse? Oftmals Fehlanzeige. Salate haben wir dann manchmal separat bestellt. Da kann man dann aber keine hohe Dressingkunst erwarten. Manchmal gab es braune Bohnen dazu (die sind lecker). Nationalspeise sind im Grunde Gebratenes/Gegrilltes (Huhn, Rind oder Fisch, gefühlt seltener Schwein) mit Reis und Pommes sowie Bohnen. An den Straßenküchen oder in vielen Restaurants gab’s dann noch nen leckeren Tomate-Zwiebel-Dip dazu und Topioca-Pulver obendrauf (was aber im Magen aufgeht und wo man bei der Menge echt vorsichtig bleiben sollte, zumal ich es persönlich sehr geschmacksneutral fand).
Und dazu am Liebsten Softdrinks oder Bier. Hier gibt’s diverse lokale Biersorten, aus irgendeinem Grund ist auch das in München nicht übermäßig beliebte Spaten hier richtig groß, bekannt und überall verfügbar. Da hab ich tatsächlich ein Münchner Bier das erste Mal in Brasilien getrunken… Ach ja, und natürlich gibt’s überall Caipirinhas in allen möglichen Variationen. 😊 Die sind gar nicht mal schlecht, aber haben immer ganz schön Feuer…
Wir hatten im Hostel ein paar Schweizerinnen kennengelernt und eine hat dann für den Dienstag Nachmittag eine Tour in der Favela „Rocinha“ organisiert.
Despiktierlich könnte man sagen: Favelas sind die Slums / Ghettos / Armenviertel der brasilianischen Städte. Aber irgendwo müssen natürlich auch die weniger vermögenden Menschen leben, wenn die Städte zu teuer werden. Und irgendwann haben die Brasilianer einfach angefangen an den damaligen Stadträndern ihre Ziegelmauern hochzuziehen, um überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben.
Wenn ihr euch oben nochmal das Nachtbild von Rio anschaut: Im Grunde sind all die Lichterketten, die sich die Berghänge hochziehen, Favelas.
Jetzt ist Favela auch nicht mehr gleich Favela. Aber als Tourist alleine reingehen, sollte man vermutlich auch nicht. In Rio gibt es aber ganz übliche und akzeptierte Touren von Guides, die selber in der Favela wohnen und es kommt wohl auch viel von dem Geld wirklich bei den Leuten an. Und durch die Guides aus der Favela ist es dann auch sehr sicher (uns wurde auch klar gesagt, wann wir Fotos machen dürfen und wann das Handy besser in der Tasche bleibt. ;))
Wir waren uns aber auch lange unsicher, ob wir so eine Tour machen wollen. Wir möchten uns nicht wie in einem Zoo voller Menschen fühlen und uns auch nicht an der Armut anderer Menschen ergötzen. Dass wohl wirklich viel Geld ankommt und die Bewohner solche Touren, die ja auch ihren Mikrokosmos und ihre eigene kleine Kultur zeigen, daher angeblich durchaus begrüßen, hat uns dann aber überzeugt.
Rocinha ist wohl die größte Favela von Rio und man muss sagen auch eine mit absolut spektakulärer Aussicht. Wir hatten echt nen super Guide, der selber in der Favela geboren ist und lebt. Der lebt da nach eigener Aussage auch gerne und bewusst weiterhin. Er studiert Marketing an der Uni und macht nebenher die Touren, um sich das Studium zu finanzieren.
Rocinha ist inzwischen wohl auch eine einigermaßen geordnete Favela. Viele Wohnverhältnisse sind legalisiert. Es gibt eigentlich überall Strom und Wasser (eigentlich kostenpflichtig, aber sie bezahlen es einfach nicht), kostenlose Krankenhäuser und Schulen.
Aber man darf sich davon auch nicht täuschen lassen. Die brasilianische Polizei hat vor der WM und Olympia versucht, da „aufzuräumen“ und ist gescheitert. Das liegt sicher zum Einen daran, dass die Favelas in der Regel von finanziell gut ausgestatteten und gut bewaffneten Banden und Drogengangs kontrolliert werden. Zum Anderen ist die brasilianische Polizei aber wohl auch kein Hort der Unschuld. Korruption, Vorverurteilung, Aggressivität, Vergewaltigungen sind wohl immer wieder Thema. Eine der Schweizerinnen meinte, ihr wurde auch gesagt, dass sie in Brasilien nie, nie, nie als Frau alleine in einen Polizeiwagen steigen sollte…
Im Endeffekt ist die Polizei da echt raus und im Fall der Rocinha sorgt faktisch ein mächtiges Drogenkartell für „Ordnung“. Da waren auch mehrere Männer mit Maschinengewehren auf Patrouille... Unser Guide war davon auch voll überzeugt, dass es so besser ist, eben aus seinem Misstrauen und seiner schlechten Erfahrung mit der Polizei heraus. Na ja… Am Ende muss man sich da auch diversen Regeln und Gesetzen unterordnen und die wiederum unterliegen sicherlich mehr Willkür, wenn sie von Drogenbanden erstellt werden als wenn sie von gewählten Parlamentariern erstellt und von unabhängigen Gerichten kontrolliert werden. Verscherzen darf man es sich als Favela-Bewohner mit den anderen mit Sicherheit nicht…
Spannend war es trotzdem. Die Basis-Infrasktruktur ist da und offensichtlich gelingt es zumindest Einigen, ein halbwegs ordentliches Leben zu führen, zu studieren, etc. Unser Guide war definitiv sehr anerkannt, wurde von Kindern begrüßt. Und auch hier kann man wieder beobachten, was ich schon in Ländern wie Mexiko, Vietnam, China, Kenia und Tansania beobachten konnte. Die Menschen haben definitiv viel viel geringere Lebensstandards als wir in Deutschland. Und trotzdem wird an jeder möglichen Ecke fröhlich Fußball (laut unserem Guide sind 90% der Spieler der brasilianischen Nationalelf in einer Favela geboren und aufgewachsen) oder Basketball gespielt, es wird viel gelacht und gelächelt, man spürt viel Solidarität untereinander und es gibt diverse soziale Projekte.
Also in Summe zu Rio:
Vielleicht hatte ich zu hohe Erwartungen. Trotzdem ist Rio eine tolle und sehenswerte Stadt. Der Blick vom Zuckerhut und der Seilbahn-Mittelstation waren fantastisch, tolle Strände und das Meer vor der Haustür und überwiegend sehr entspannte Menschen.
Ich würde wiederkommen.
So ging es dann also weiter zur Ilha Grande.
Die ist (für brasilianische Verhältnisse) nicht weit entfernt von Rio, man ist aber trotzdem gute vier Stunden unterwegs. Erst geht es mit dem Bus zur Küste und dann weiter mit dem Boot/Fähre zur Insel.
Bis dahin war ja unsere Agenda doch immer sehr voll und es standen viele Aktivitäten auf dem Plan. Die Ilha Grande soll eine traumhaft schöne Tropeninsel sein mit viel Dschungel und tollen Stränden, die auch sehr gut zum Tauchen geeignet sein soll (auch wenn Brasilien eigentlich nirgends in den Top10 der Tauch-Destinationen auftaucht).
Der Plan war also: Vier Tage lang endlich mal Füße hoch, chillen und ein wenig tauchen gehen.
Leider hatten wir auch hier wieder etwas Pech mit dem Wetter und mit der Wetterprognose. Und mich hat dann am Ende von Tag 2 auch noch mein Magen-Darm-Trakt beschäftigt. Musste ja irgendwann mal passieren in dem halben Jahr. 😉
Wir sind ja dann Mittwoch abend angekommen.
Die Prognose war, dass es Donnerstag richtig schön wird (aber auch "nur" so 25°C), Freitag auch noch ganz passabel und die beiden Tage danach bewölkt und regnerisch.
Daher haben wir direkt für den Donnerstag mal eine Bootstour entlang der Küste gebucht zu verschiedenen Lagunen und Stränden.
Leider war der Donnerstag schon sehr bewölkt und windig. Man hat echt eher gefroren auf dem (Speed-)Boot. Das Wasser war dadurch auch eher kühl. So richtig Spaß hat’s ehrlich gesagt nicht gemacht. Und auch hier wieder… Der Bootsfahrer spricht kein Wort Englisch oder Spanisch, wir mussten uns also immer ein wenig unseren eigenen Reim auf die Locations machen, an denen wir dann waren. Schade!
Ursprünglich wollten wir am Freitag dann tauchen gehen. Nach der Erfahrung vom Vortag und der Wetterprognose war auch unsere Tauch-Lust aber auf dem absoluten Tiefpunkt. Daher verzichten wir halb-schweren Herzens in Brasilien nun aufs Tauchen.
Der Freitag war dann übrigens mit Abstand der schönste Tag. Sonne, blauer Himmel, eine leichte Brise… So stellt man sich das vor. Wir sind dann halt an den Strand und haben es uns gut gehen lassen.
Am dritten Tag war dann deutlich weniger los. Es hat tatsächlich viel geregnet (auch kräftig) und mein Magen war ja auch nicht so top.
Hier ein paar Impressionen von der Insel.
Der eine Fels auf dem zweiten Bild ist ein recht hoher und markanter Berggipfel, der Pico de Papagaio, also der Papagei-Gipfel... :)
Am letzten Tag ging es mir dann schon wieder etwas besser und das Wetter war zumindest nicht mehr NUR verregnet.
Daher sind wir nochmal ans andere Ende des Ortes und des Strandes, um da einen kleinen Spaziergang in den Dschungel hinein zu machen.
Das waren wirklich in Summe max. 30 min im Dschungel. Bei vielleicht 23°C. Aber bei über 80% Luftfeuchtigkeit.
Ergo sah ich nach 10 Minuten so aus... ;-)
Ganz ursprünglich war die Ilha Grande mal DAS Piratenversteck der Gegend. Später dann wurde es aber eine Quarantäne-Station, nachdem zuvor europäische Einwanderer diverse vor Ort unbekannte Krankheiten mitgeschleppt haben. Die Ruinen dieser Quarantäne-Station und eines Aquäduktes, dass die Station mit Frischwasser versorgt hat, kann man im Dschungel noch sehen.
Auf dem nachfolgenden Bild sieht man, wie die Station mal ausgesehen haben soll (vor ca. 130 Jahren). Und danach, was davon übrig ist.
Noch später übrigens war die Insel wohl ein berüchtigtes Gefängnis während der Militärdiktatur…
Also bei schönem Wetter echt ne tolle Insel. Wir hatten halt leider Pech mit dem Wetter (das zieht sich noch ein bisschen durch) und mit meinem Magen. Daher konnten wir gar nicht so viel machen. Aber auf der anderen Seite waren ja eh Entspannen und Erholen angesagt. Wir haben also auch nichts Superschlimmes verpasst und für das Wetter kann ja niemand was.
Von der Ilha Grande ging es dann wieder per Boot und Bus zum Flughafen von Rio de Janeiro und von dort zur letzten großen Station in Brasilien: Salvador sowie Morro de Sao Paulo.
Davon berichte ich beim nächsten Mal. Dann vermutlich aus Buenos Aires. :)
Viele Grüße,
euer Steffen
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Kommentare
Tolle, detaillreiche Schilderung eurer Erlebnisse! Viel Spaß und tolle Erfahrungen :)